Obdachlosigkeit und Aufbruch: Mein Leben auf der Straße

Der taz Autor Samuel Andreas ist auf der Straße groß geworden, der Berliner Hermannplatz war sein Wohnzimmer. Eine lesenswerte Geschichte von Gewalt, Drogen und Zusammenhalt via taz.de

Ich öffne die Haustür, und dort steht er. Er sieht gesünder aus, als ich ihn in Erinnerung habe, scheint weniger Knochen im Gesicht zu haben. „Was machst du denn hier?“, frage ich erstaunt. Ich wollte das Haus verlassen, verabredet waren wir nicht. „Hi, ich bin gerade zwei Tage raus und dachte, ich komme mal vorbei“, antwortet er.

Er ist frisch aus dem Knast entlassen worden.

Wir sind etwas unbeholfen, nesteln an unseren Sachen herum. Über ein Jahr haben wir uns nicht gesehen. Jetzt, an einem Sonntag im April 2023, ist er plötzlich wieder da.

„Komm her, lass dich drücken“, sage ich. Wir umarmen uns. Ich fühle mich verbunden. So verbunden, wie ich es sonst kaum kenne. Pascal D. zählt zu meiner Berliner Straßenfamilie.

Wir lernten uns vor langer Zeit am Hermannplatz kennen – zwischen Karstadt und U-Bahn, zwischen Sonnenallee und Hasenheide. Dort war unser gemeinsames Wohnzimmer. Wir gehörten zu einer Gruppe drogenabhängiger Obdachloser, die sich hauptsächlich an diesem Platz aufhielten.

Ich habe den Absprung geschafft. Seit etwa zehn Jahren bin ich weg von der Straße.

Ich bin clean.

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