Ein Zuhause auf Rädern: Wie ein Berliner Architekt Obdachlosen hilft

In Berlin leben geschätzt 40.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. Der Architekt und Designer Van Bo Le-Mentzel, bekannt für seine unkonventionellen Ideen, entwickelte ein Konzept, das eine praktische und würdevolle Lösung für Obdachlose bietet: das „Not Hotel“, ein rollendes Tiny House auf einem kleinen Pick-up.

Die Idee

Van Bo Le-Mentzel, 47 Jahre alt und Kreuzberger Architekt, beschäftigte sich schon lange mit dem Thema Wohnen auf kleinem Raum. Bekannt wurde er durch Projekte wie „Hartz-IV-Möbel“, die man günstig selbst bauen kann, und „Karma Chakhs“, nachhaltig produzierte Schuhe. Während der Pandemie fragte er sich, wie er Menschen ohne Obdach in seinem Viertel helfen könnte. Die Idee war radikal einfach: Warum nicht ein Tiny House auf einem Auto bauen, das überall parken kann? So entstand das „Not Hotel“, eine mobile Unterkunft, die genauso viel Platz wie ein geparktes Auto einnimmt, aber Schutz und Wärme bietet.

Das Konzept des „Not Hotels“

Das „Not Hotel“ ist ein Mini-Haus auf Rädern. Mit zweieinhalb Quadratmetern bietet es gerade genug Platz für grundlegende Annehmlichkeiten:

  • Innenausstattung: Es gibt eine elektrische Heizung, ein Klappbett, eine Mini-Küche, einen kleinen Klapptisch und eine Campingtoilette. Das Haus ist gut isoliert, mit Solarpaneelen ausgestattet und kann per Funk von Le-Mentzel gesteuert werden.
  • Design: Es sieht aus wie ein Märchenhaus, mit einer Fenstergaube und Giebel. Trotzdem ist es ein voll funktionsfähiges Fahrzeug mit regulärer Zulassung.
  • Nutzung: Gäste können es für einige Nächte nutzen, bevor der Platz anderen zur Verfügung steht. Frauen profitieren besonders, da sie hier mehr Privatsphäre und Sicherheit haben als auf der Straße.

Die ersten Schritte

Mit Unterstützung der gemeinnützigen Organisation Tiny Foundation begann Le-Mentzel, Spenden zu sammeln. Eine Skizze postete er auf Social Media, und bald meldete sich ein Team von Handwerkern, das beim Bau half. Dank Fördergeldern und cleverer Organisation konnte das erste „Not Hotel“ für rund 15.000 Euro realisiert werden. Der Wagen, ein gebrauchter Piaggio Mini-Pick-up, wurde so umgebaut, dass das Häuschen darauf stabil befestigt ist.

Der soziale Ansatz

Le-Mentzel sieht die Nutzer des „Not Hotels“ nicht als Obdachlose, sondern als „Gäste“. Diese respektvolle Haltung prägt das Projekt. Anfragen laufen über eine Klingel mit Kamera, die direkt mit Le-Mentzels Smartphone verbunden ist. Er organisiert die Übergabe, bereitet den Raum vor und sorgt für eine gastfreundliche Atmosphäre. Dabei bleibt der Aufwand für Reinigung und Reparaturen überschaubar, obwohl es auch Rückschläge gibt, wie hinterlassene Spritzen oder gestohlene Scheren.

Die Wirkung auf die Menschen

Die Gäste des „Not Hotels“ erleben oft zum ersten Mal seit langer Zeit einen geschützten, privaten Raum. Für viele ist dies eine große Erleichterung.

  • Daniel, ein 23-jähriger Mann, lebt seit Jahren auf der Straße. Seine Geschichte zeigt die tragischen Folgen von Sucht und sozialem Absturz. Für ihn bietet das „Not Hotel“ wenigstens ein paar Nächte Ruhe und Schutz vor der Kälte.
  • Lucy, eine Frau ohne Obdach, schätzt besonders die Privatsphäre und die Möglichkeit, in Sicherheit zu sein. Für sie ist das „Not Hotel“ ein Ort, an dem sie sich frei bewegen und sogar Musik hören kann.

Herausforderungen und Perspektiven

Das Projekt ist trotz seiner positiven Resonanz noch eine Nischenlösung. Mit nur einem „Not Hotel“ kann Le-Mentzel nur wenigen Menschen helfen. Dennoch regt das Konzept zum Nachdenken an, wie städtischer Raum genutzt wird. Ein Auto beansprucht Platz in der Stadt, während viele Menschen keinen Quadratmeter für sich haben.

Le-Mentzel träumt davon, das „Not Hotel“ in Serie zu bringen, stößt aber auf bürokratische Hürden. Sicherheitsbedenken und Auflagen machen es schwer, Projekte wie dieses flächendeckend umzusetzen. Trotzdem inspiriert seine Arbeit sowohl Bürger als auch Politiker.

Fazit

Van Bo Le-Mentzels „Not Hotel“ zeigt, wie kreativ und pragmatisch soziale Probleme angegangen werden können. Es ist mehr als nur eine Unterkunft – es ist ein Symbol für Menschlichkeit, Gastfreundschaft und den Willen, anderen zu helfen. Auch wenn das Projekt klein ist, hat es das Potenzial, die Gesellschaft für das Thema Obdachlosigkeit zu sensibilisieren und neue Lösungen zu finden.

Mehr Infos zum Projekt findet Ihr hier.
Ein aktueller ausführlicher Bericht im Magazin der Süddeutschen Zeitung ist hier zu finden.