Sehr geehrte Damen und Herren,
nach einem heftigen Fahrradsturz mit Bruch des linken Handgelenks sowie Massenruptur im rechten Schultergelenk befinde ich mich derzeit in der Rekonvaleszenz und kann mich deshalb nicht so wie vormals in der Szene tummeln. Aber wenn man sich primär schreibtischnah mit dem Thema beschäftigt, fallen verschiedene Aspekte auf, die im Folgenden näher vertieft werden:
- Geburtenfonds für schwangere Frauen ohne Krankenversicherung
Lobenswert zu erwähnen ist zunächst, dass die Region mit der Einrichtung eines Geburtenfonds für schwangere Frauen ohne Krankenversicherung einen weiteren Eckpunkt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung von Menschen in Wohnungslosigkeit und prekären Lebensverhältnissen schaffen will. - Nachtangebote für wohnungslose Menschen
Positiv anzumerken ist sodann, dass die Landeshauptstadt Hannover finanzielle Mittel bereitgestellt hat, um in der kalten Jahreszeit nach den positiven Erfahrungen im letzten Winter wiederum Nachtangebote für wohnungslose Menschen zu machen. Dabei fällt allerdings auf, dass das Diakonische Werk einen Zuschuss iHv. 126.375 € (Nachtlicht) erhält, der Obdachlosenhilfe Hannover e.V. jedoch „nur“ iHv. 35.000 €. (Café Mensch) Irritiert ist man über dies Verhältnis, wenn man weiter liest, dass sich während des letzten Winters im Nachtlicht durchschnittlich rund 45 Personen und im Café Mensch durchschnittlich 60 bis 72 Menschen pro Nacht aufhielten. Zwar werden in der Drucksache
die Zuschüsse zeitlich divergierend dargestellt, aber gleichwohl bleibt ein merkwürdiges Missverhältnis… - Attraktivierung der bahnhofsnahen Plätzen und die Auswirkungen auf die sich dort aufhaltenden wohnungslosen Menschen
Kritisch zu beobachten ist, dass zwar im Frühjahr im Rahmen der Attraktivierung der bahnhofsnahen Plätzen beschlossen wurde, die Aufenthaltsqualität auf dem Vorplatz vor dem Stellwerk Fernroder Straße zu verbessern, dass es aber bis in September hinein andauerte, ehe das auch konkret angegangen wurde. Egal wann man dort vorbeikommt, das Elend, die Verwahrlosung sticht sofort ins Auge. Es ist unbegreiflich, warum die Verantwortlichen das so lange hingenommen haben und noch immer keine besondere Eilbedürftigkeit an den Tag legen, um die Verhältnisse zu verbessern. Der Raschplatz soll ja nun auch in der kalten Jahreszeit von Ende November bis Ende Februar (= 13 Wochen lang) mit einem Winter Open Air bespielt werden zentraler Baustein ist die Errichtung einer Kunststoffeislaufbahn. Weil das – wie zuvor im Sommer – Auswirkungen auf die sich dort aufhaltenden wohnungslosen Menschen und auf die in unmittelbarer Nähe befindlichen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe haben wird, wurde beschlossen, das durch zusätzliche soziale Hilfen abzufedern
Für diese Maßnahmen wurden städtische Finanzmittel iHv. bis zu 777.500 € bereitgestellt.
Lassen wir außen vor, dass fraglich ist, ob neben der Eislauffläche am Pferdeturm, die vielleicht aus guten Gründen nur von Donnerstag bis Sonntag geöffnet ist, überhaupt Bedarf für eine weitere Eislauffläche besteht. Richten wir lieber das Augenmerk auf die Höhe der veranschlagten Kosten für einen überschaubaren Zeitraum. Ange sichts der noch immer angespannten Haushaltslage fragt es sich, ob man das Geld nicht doch sinnvoller hätte ausgeben können. Z.B. hätte man bei Baukosten von ca. 5.000 € je m² dafür rd. 155 m2-Wohnfläche schaffen können. Wäre das nicht besser angelegt gewesen? Scheinbar wurde in den politischen Gremien dies Thema nicht einmal ansatzweise kontrovers diskutiert, zumindest las man nichts in der Zeitung dazu. - Tagesaufenthalt für obdachlose Menschen
STiDU hatte sich gefreut, als die Landeshauptstadt Hannover im Februar einen weiteren Tagesaufenthalt für obdachlose Menschen in der Dornierstraße eröffnete. Allerdings stellte sich alsbald heraus, dass die Aufenthaltsqualität der Immobilie zu wünschen übrig lässt. Der Bezirksrat Bothfeld-Vahrenheide hatte deshalb einstimmig im Mai beschlossen, die Ausstattung durch verschiedene Maßnahmen zu verbessern. Bis heute findet man im Sitzungsmanagement keine Reaktion der Stadtverwaltung dazu. Warum?
Neben den Problemstellen im Inneren des Gebäudes zeigt sich das ganze Dilemma, wenn man nur den Außenbereich betrachtet. Was dort am dringendsten fehlt, ist eine witterungsgeschützte Raucherecke, denn im Gebäude besteht zu Recht ein Rauchverbot. In der Pressemitteilung zur Eröffnung vom 9.2.2023 hieß es, die Stadt plane perspektivisch die Nutzung vor dem Gebäude – bisher ist noch nicht ansatzweise erkennbar, was das konkret bedeuten könnte. Der Betreiber – das DRK – hat entschieden, das zunächst abzuwarten und auch der Entscheidung über das og. Votum des Bezirksrats Bothfeld-Vahrenheide nicht vorgreifen zu wollen. STiDU hatte im Juli angeboten, die Kosten für den Bau einer witterungsgeschützten Raucherecke vorzustrecken, aber das DRK wartet weiter. ab, wie sich die Stadt positioniert – ’ne Art Beamtenmikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert! Ärgerlich nur, dass das zu Lasten der Schwächsten geht… - Mecki 2.0
„Beamtenmikado“ findet auch bei Mecki 2.0 statt. Im STiDU-Rundbrief vom 1.8.2023 hatten wir nach dem Sachstand gefragt, aber seitens der Stadtverwaltung sah sich bisher niemand gedrängt, dazu eine Verlautbarung abzugeben. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Uhr tickt: Noch in diesem Jahr muss der Baubeginn in der Augustenstraße erfolgen, sonst verfällt der von der Region zugesagte Zuschuss von 1 Mio €, ohne diesen Zuschuss aber dürfte die Umbaumaßnahme nicht zu finanzieren sein. - Plan B – OK
In dem genannten STiDU-Rundbrief hatten wir nach dem Sachstand bei dem Angebot „Plan B – OK“ gefragt. In der entsprechenden Antwort war dazu seitens der Region berichtet worden, dass das Angebot insbesondere für junge Menschen unter 25 attraktiv ist und dass es wohl eine Warteliste gibt. Aus Sicht von STiDU sollte das viel stärker als bisher in den Fokus gerückt werden. Wir meinen, dass bei jungen Menschen am ehesten die Chance besteht, sie von der Straße zu holen und in ein „normales“ Leben zurückzuführen. Deshalb sollte das Angebot hier zielgerichtet ausgebaut werden. - Bundesweiter Tag der Wohnungslosen
Am 11.9.2023 – am bundesweiten Tag der Wohnungslosen – fand im Rathaus vormittags ein Fachtag, ab Mittag dann auf dem Trammplatz ein Marktplatz statt, auf dem sich die Einrichtungen und Akteure des Hilfesystems präsentierten, mit beiden Veranstaltungen sollte die Öffentlichkeit für das Thema Wohnungslosigkeit sensibilisiert werden. Eine an und für sich gute Idee, weil das aber nicht wirklich beworben wurden, verirrten sich nur wenige Außenstehende auf den Trammplatz – schade, viel Aufwand, wenig Ertrag. Wenn das im nächsten Jahr so oder ähnlich wiederholt werden soll, darauf gilt es zu achten.
