Schwieriges Klientel
Sehr geehrte Damen und Herren,
immer wieder begegnen wir im Rahmen unserer Ombudsstellen-Arbeit „schwierigen“ wohnungslosen Menschen. Es sind Menschen, die sich nicht regelkonform, nicht „normal“ verhalten – aus welchen Gründen auch immer, wir sind nicht medizinisch geschult. Weil diese Menschen mit ihrem Verhalten anecken und „Stress“ im Hilfesystem verursachen, hantiert manche Einrichtung dann recht schnell mit einem Hausverbot – nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn…
Was dabei besonders verwundert, ist die Dauer des Hausverbots: Ein Monat, ein Jahr, noch länger – alles schon gesehen. Und – es gibt Menschen, die haben in allen Einrichtungen Hausverbot. Das hat dann zum Teil massivste Konsequenzen: Hausverbot = keine Postadresse mehr = Erreichbarkeit nicht mehr gegeben = kein Leistungsbezug mehr…
Wir können das Dilemma, in dem sich die Einrichtungen befinden, ansatzweise verstehen. Sie müssen sich auch davor schützen, angegriffen zu werden, sie müssen nicht jede Beleidigung hinnehmen – aber trotzdem: Wird eine solche Entscheidung dem Betroffenen gerecht? Ein Hausverbot versucht nicht, die Gründe für das nonkonforme Verhalten zu ermitteln, setzt sich nicht damit auseinander, sucht nicht nach konstruktiven Lösungen. Ein Hausverbot ist ein Armutszeugnis, mit dem das Hilfesystem zeigt, wie hilflos es reagiert, wenn es an Grenzen kommt.
Wir zitieren an dieser Stelle exemplarisch aus einem Beschluss des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9.1.2017 – 4 C 16.2565: „Nach der Erfahrung des Senats sind viele Obdachlose gerade deshalb obdachlos, weil sie ein unbequemes oder störendes Verhalten an den Tag legen. Beim Umgang mit diesem schwierigen Personen-kreis darf kein kleinlicher Maßstab angelegt werden.“
„Kein kleinlicher Maßstab“ – sehr zurückhaltend formuliert. Immerhin leitet die Rechtsprechung aus diesem Verständnis heraus die Verpflichtung der Kommunen ab, auch diese Menschen ganztägig ordnungsrechtlich unterzubringen und dabei gegebenenfalls unkonventionelle Lösungen zu suchen.
Nun ist unstreitig davon ein über §§ 67 ff SGB XII finanzierter Tagesaufenthalt zu unterscheiden. Dieser ist möglicherweise rechtlich nicht zur ordnungsrechtlichen Unterbringung im Rahmen der Gefahrenabwehr verpflichtet – es sei denn, aus den entsprechenden Leistungsvereinbarungen ergibt sich etwas anderes, aber egal: Wir finden, die Träger sind zumindest moralisch verpflichtet, sich um diese schwierigen Fälle zu kümmern und diese Menschen nicht vor die Tür zu setzen und allein auf der Straße sich selbst zu überlassen.
Über dies Rollenverständnis sollten die Träger einmal nachdenken!
Und was aus unserer Sicht auch nicht funktioniert, was aber für den Umgang mit solchen „schwierigen“ Personen unbedingt erforderlich ist, ist eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen (Straßen-)Sozialarbeit und Mitarbeitenden des Sozialpsychiatrischen Dienstes oder anderer psychosozialer Beratungsangebote. Man trifft sich zwar gelegentlich in Austauschrunden – „Gut, dass wir mal drüber gesprochen haben!“, aber sich gemeinsam im konkreten Einzelfall mit dem Betroffenen zu treffen und nach einer alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung zu suchen, das ist nicht der Normalfall. Muss das so bleiben?
Andreas Sylvester Andrea Weinhold-Klotzbach Susanne Mückenheim
(1. Vorsitzender) (2. Vorsitzende) (Schatzmeisterin)